Der Stein als Reisekompass: Treffen Alessandra Cossu und Fabrizio Bibi Pinna | Olianas
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Der Stein als Reisekompass: Treffen Alessandra Cossu und Fabrizio Bibi Pinna
von Jessica Cani
Sie erkundeten alle Ecken Sardiniens und legten viele Kilometer zurück, um Nuraghen, heilige Brunnen, sog. „Domus de Janas“, also Felsengräber, Schlösser, Landkirchen, Höhlen, Wasserfälle, verlassene Minen, Naturdenkmäler und vieles mehr zu besichtigen. Die Vorbereitung hat sie viel Geld und Aufmerksamkeit gekostet und sie haben auch nicht wenige Opfer gebracht. Ziel dieser Bemühungen war es, das Projekt in jeder Hinsicht zu verbessern und ein Bewusstsein für die Geschichte der Insel zu schaffen.
Wir sprechen von Fabrizio Bibi Pinna und Alessandra Cossu, die gemeinsam einen Teil ihres Traums „Sardinien jenseits des Meeres“ verwirklicht haben und die Gelegenheit hatten, einen Fotoband zu veröffentlichen, der ausschließlich ihre Arbeiten enthält.
Wie immer wurde uns vor Beginn unseres Gesprächs ein Glas Wein angeboten. Wir haben sie gefragt, was ihr Lieblingswein ist, und sie dachten an einen Carignano del Sulcis. Aber dann vielleicht ein Nepente di Oliena oder, warum nicht, ein Cagnulari. In dieser anfänglichen Unentschlossenheit, welcher Wein am besten geeignet ist, um ins Gespräch zu kommen (am Ende entschieden wir uns für einen Carignano), tauchten wir mit ihnen in einen der faszinierendsten und geheimnisvollsten Aspekte Sardiniens ein – nämlich in die Archäologie.
Alessandra Cossu ist eine professionelle Fotografin, deren Seele tief mit Sardinien verbunden ist. Was als Leidenschaft für die Landschaftsfotografie begann, hat sich zu einer Mission entwickelt, die Insel und den Ort, in dem sie geboren und aufgewachsen ist, zu fördern.
Ihr Ziel ist es, das Wesen des sardischen Charakters in ihren Aufnahmen zu verkörpern, sowohl in Bezug auf die Menschen als auch auf die Umwelt. „Viele sagen mir, dass ich die Seelen der Menschen einfangen kann, und das ist eine schöne Sache“, sagt sie. „Wenn ich das für eine Landschaft höre, bin ich sehr glücklich, denn bei Menschen ist es meiner Meinung nach einfacher, sie sprechen mit ihrem Gesichtsausdruck zu dir und du spürst ihre Gefühle. Eine Landschaft ist stattdessen etwas Statisches. Was man wahrnimmt, ist subjektiv. Was ich fühle, ist nicht dasselbe wie das, was jemand anderes an diesem Ort fühlt. Wenn man mir also sagt, dass ich die Seele dieses Ortes verkörpert habe, bedeutet das, dass ich die Energie von diesem Ort aufgenommen und diesen Moment wirklich erlebt habe.“ Die lebendige Energie, die Orte und Menschen durchdringt, wird im Bild festgehalten. Wir könnten so ihre Arbeit in wenigen Worten zusammenfassen.
An ihrer Seite, bei der Arbeit und im Leben, ist Fabrizio Bibi Pinna. Er wuchs in einer Familie auf, die es liebte, Zeit im Freien zu verbringen. So entwickelte er unbewusst eine Leidenschaft für archäologische Stätten, während Indiana Jones, sein damaliger Heldenmythos, im Fernsehen ausgestrahlt wurde. „Ich sage immer, dass meine Leidenschaft für Archäologie und Fotografie eine Art Peter-Pan-Syndrom ist“, sagt er. „Als ich ein Kind war, nahm mich mein Vater immer mit aufs Land, um Pilze und Spargel zu sammeln. Er hat sich nie für Archäologie interessiert, aber wir haben lange Autofahrten unternommen und sind dabei oft in der Nähe archäologischer Stätten vorbeigekommen. Ich kann mich erinnern, dass ich ihn gebeten habe, anzuhalten, aber er hat es nicht immer getan, und ich habe meiner Mutter immer gesagt, dass ich sie alle sehen will, wenn ich groß bin.“
„Diese Leidenschaft ist geblieben, und als ich unabhängig war, habe ich angefangen, auf eigene Faust zu reisen und zu erkunden.“
Die Leidenschaft für Archäologie und Geschichte war bei Alessandra schon immer sehr ausgeprägt. „Das erste Buch, das ich als Kind bekam, handelte von Pyramiden. Von diesem Moment an war ich buchstäblich besessen von den Ägyptern sowie der griechischen und römischen Mythologie, aber leider hat mir während meiner Schulzeit niemand etwas über die Geschichte der Nuraghen erzählt. Ich habe aus eigenem Interesse begonnen, über die Inquisition auf Sardinien zu recherchieren, und dabei bin ich auf archäologische Stätten gestoßen, die mich sehr neugierig gemacht haben. Mein Weg zur Geschichte der Nuraghen begann auf diese Weise, aber mit Fabrizio ist diese Leidenschaft geradezu explodiert“.
Sie lernten sich durch gemeinsame Freunde kennen und kamen sich durch ihre Leidenschaft sofort näher. „Sie wollte umherfahren, aber niemand folgte ihr. Ich hingegen bin immer allein umhergefahren, auch wenn mir niemand gefolgt ist“, sagt Fabrizio. „Ich erinnere mich, dass ich die ersten archäologischen Stätten sah, als ich fünf Jahre alt war, nämlich den Tempel von Antas in Fluminimaggiore und die Stätte in Barumini. Wir spielten in der Nuraghe von Barumini, die zu der Zeit verlassen war. Für mich war es ein Bedürfnis zu erkunden.“
Und so beschließen sie 2017, von ihren Tagen in den archäologischen Stätten in den sozialen Medien zu berichten.
Heute hat Fabrizios Instagram-Profil 80.000 Follower und seine Facebook-Seite 50.000.
Hinter der Bezeichnung „La Sardegna oltre al mare“ (dt. „Sardinien jenseits des Meers“) verbirgt sich eine konkrete Mission, nämlich die außergewöhnlichen archäologischen, natürlichen und kulturellen Reichtümer Sardiniens bekannt zu machen, die noch zu wenig bekannt sind.
Für Alessandra und Fabrizio ist dies nicht nur eine Leidenschaft, sondern ein echter Aufruf, das Erbe der Insel zu fördern und zu verbreiten, indem sie zum Beispiel zeigen, dass die Nuraghen Spuren von entwickelten und strukturierten Zivilisationen enthalten.
Mit atemberaubenden Fotoaufnahmen und fesselnden Videoerzählungen vertieft das Paar Erfahrungen und Visionen, um die Seele Sardiniens jenseits der Küstenlandschaft einzufangen. „Mit dem Namen dieses Projekts wollen wir der außergewöhnlichen Natur des Meeres lokales Wissen hinzufügen. Für uns ist die Küste so etwas wie der Rahmen eines Gemäldes. Sie ist unverzichtbar, aber man sollte nicht nur sie anschauen. Wenn man sich ein Werk von Van Gogh anschaut, bleibt man nicht nur beim Betrachten des Rahmens hängen. Für uns ist das Meer der zauberhafte Rahmen für ein einzigartiges Gebiet“, erklärt Alessandra.
Sie blicken jedoch nicht nur auf die Grenzen der Insel. Das Projekt „Sardegna Oltre al Mare“ wird ständig erweitert und hat zum Ziel, nuragische archäologische Stätten zu dokumentieren, die im gesamten Mittelmeerraum und sogar darüber hinaus verstreut sind. Von den Tholos-Gräbern im mykenischen Griechenland bis zu den Überresten der Türme auf Korsika, von den Felsengräbern in Portugal bis zu den Symbolen der Muttergöttin, die überall zu finden sind, entdecken Alessandra und Fabrizio jahrtausendealte Verflechtungen, die Sardinien mit dem Rest der antiken Welt verbinden.
Ihre Mission ist grenzenlos, eine Reise des Wissens und des Austauschs, um die verborgenen Verbindungen zwischen den Völkern und Kulturen von gestern und heute zu enthüllen. Ein Weg der Forschung und Wiederentdeckung, der Schicht für Schicht die tiefe Identität Sardiniens herausbildet.
„Als wir 2017 anfingen, hat niemand archäologische Inhalte gepostet. Wir beschlossen, uns darauf zu konzentrieren, auch wenn wir anfangs wenig Resonanz bekamen, aber wir machten weiter, überzeugt von unserer Mission. Jetzt, nach mehreren Jahren, ist unser Projekt gewachsen und viele Menschen folgen uns.“
Ein faszinierender Aspekt der Studien über die Nuraghenzeit sind die Funde von Samen und organischen Pflanzenresten in den Gräbern. Wie uns die beiden Fachleute erklären, spielt der Botanische Garten von Cagliari, der die bei archäologischen Ausgrabungen auf der ganzen Insel entdeckten Funde sorgfältig analysiert, eine wichtige Rolle in diesem Bereich.
Dank moderner Methoden kommen zahlreiche botanische Zeugnisse aus dem täglichen Leben unserer Vorfahren ans Licht. Zu den bemerkenswertesten Entdeckungen gehören die Traubenkerne, die in der Nuraghe von Arrubiu in Orroli gefunden wurden, die nur 30 km von unserem Weingut entfernt ist. Wir empfehlen Ihnen daher, diesen Ort in eine Weinerlebnistour mit Olianas einzubeziehen.
Dieser außergewöhnliche Fund, der das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen niederländischen, französischen und sardischen Teams ist, wirft ein neues Licht auf die antiken Ursprünge des Weinbaus auf Sardinien. Ausgrabungen in Nuraghen fördern seit Jahrtausenden vergrabene organische Schätze zutage. Wie uns Fabrizio und Alessandra erzählen, gibt es in Gergei auch ein monumentales Nuraghendorf, das noch weitgehend verschüttet ist und wer weiß, welche weiteren Pflanzenwunder noch ausgegraben werden.
Diese botanischen Entdeckungen sind keine bloßen Attraktionen, sondern wertvolle Bausteine, um die Komplexität alter Zivilisationen zu rekonstruieren, von ihren landwirtschaftlichen Praktiken bis hin zu ihren Essgewohnheiten.
Wir beenden unser Gespräch mit einigen gastronomischen Tipps. Als wir sie fragen, wo sie am liebsten zu Mittag oder zu Abend essen, haben sie keine Zweifel: Wir sind große Fans von Brotzeit an archäologischen Stätten. Ein von mir zubereitetes belegtes Brot oder einen Fregula-Salat an solch schönen Orten zu essen, ist unbezahlbar“, sagt Alessandra. Wenn wir hingegen über Restaurants sprechen, gibt es zwei beliebte Speisen: Pizza und Sushi. „Für Pizza fahren wir oft zu Maiori. Der Pizzateig ist einmalig. Für Sushi gehen wir einmal im Monat ins Sushi Tao“.
Fabrizio und Alessandra sind ein klares Beispiel dafür, wie Hartnäckigkeit und Leidenschaft zum Beruf werden können. Sie erforschen und dokumentieren die Schönheit Sardiniens und teilen diese Leidenschaft mit anderen.